Federweißer und Zwiebelkuchen

Vieles ist ja Ansichtssache, beispielsweise was man genau unter einem Leben wie Gott in Frankreich zu verstehen hat oder was eigentlich genau der Himmel auf Erden ist. Wirklich hundertprozentig kann ich die Frage auch nicht beantworten, aber immerhin kann ich einen Hinweis darauf geben, wo der Himmel auf Erden wann anzutreffen ist: Im Herbst in der bundesdeutschen Pfalz. Sie erleben ihn hautnah, wenn Sie um diese Jahreszeit dort den würzigen Duft eines Zwiebelkuchens riechen und sich den Genuss des richtigen himmlischen Tropfens dazu vorstellen. Genau dieses Zusammenspiel ist auch der Grund, weshalt dieses bäuerliche und traditionelle Gericht in der Hauptsache während der Weinlese gebacken und gegessen wird.

Kuchen und Wein, das ist fein

Diesen würzigen und deftigen Kuchen wird man Ihnen in den Weinregionen auf Weinfesten, in Gaststätten und bei den Bäckern nur zu dieser Jahreszeit anbieten. Er gehört einfach zum Wein dazu, wie das Christkind zu Weihnachten und der Hase zu Ostern.

Beim Zwiebelkuchen handelt es sich um einen eckigen Blechkuchen aus Mürbe- oder gesüßtem Hefeteig. Darauf wird eine Mischung aus Schmand, Sahne, Eiern, Speck, Zwiebeln und Gewürzen verstrichen, bevor der Backofen sein genussvolles Werk tun kann und eine unwiderstehliche Mahlzeit zaubert. Nun sollte man nicht auf den Gedanken verfallen, dass Zwiebelkuchen nur in der Pfalz angesagt ist, davon war nie die Rede, hier ist dann lediglich der Himmel auf Erden, den Zwiebelkuchen an sich gibt es auch in den Weinregionen an Main, Neckar, Rhein und Mosel. Da ist es aber eben nicht „der Zwiebelkuchen“, sondern der fränkische, badische oder schwäbische Zwiebelkuchen, also eindeutig Abspaltungen.

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Petra Bork / pixelio.de

Der ideale Begleiter eines Zwiebelkuchens ist ein gutes Glas Federweißer. Dabei handelt es sich um frischen gekelterten Traubenmost mit beginnender Gärung. Seine trübe Farbe erhält er durch Hefen, Schwebestoffe und Kohlensäurebläschen. Während der Federweißer in der Pfalz „Najer Woi“ genannt wird, spricht man in Franken vom „Bremser“ und im Süden des Landes vom „Sauser“.

Beim Aufstehen setzt die Wirkung ein

Letzten Endes ist der Name egal, er hat immer zwischen vier und neun Prozent Alkohol, schmeckt durch den gärenden Zucker recht süßlich und findet einen schnellen Weg ins Blut. Das schöne am Federweißer ist, dass er recht süffig schmeckt und man eine Menge davon vertragen kann, solange man sitzen bleibt. Einmal aufgestanden ist es mit der Süffigkeit genauso schnell vorbei wie mit dem lotrechten Gang. Außerdem macht sich meist gleichzeitig die verdauungsfördernde Wirkung des Zwiebelkuchens bemerkbar.

Das sollte Sie jedoch nicht von einem weinseligen Abend abhalten. Also hinein in Ihre Lieblings- oder Marken Jeans und dann ab ins zwiebelnde Vergnügen.